Die dramatischen Hintergründe zur geplatzten Übernahme von FTX.com durch Binance
Bitcoin und weitere Crypto-Assets sind seit Dienstag, 08.11.2022, von einem deutlichen Abverkauf betroffen. Ausgangspunkt für die Kurskorrekturen waren Hinweise auf Unstimmigkeiten bei Alameda Research, dem Crypto-Handelshaus des Unternehmers Sam Bankman-Fried, sowie dem Schwesterunternehmen FTX.com, die weltweit drittgrößte Cryptobörse.
Die Ankündigung von Changpeng Zhao, dem Gründer der weltgrößten Cryptobörse Binance, seinen Bestand an FTX-Token (FTT) im Wert von über einer halben Milliarde EUR zu verkaufen, veranlasste Anleger Vermögenswerte von FTX abzuziehen, was zu Liquiditätsengpässen bei FTX geführt hat. Die Situation schien sich im Laufe des Montags weiter zu verschärfen.
Eine neue Wendung nahmen die Ereignisse Dienstagnachmittag durch die Absichtserklärung von Binance, seinen Konkurrenten FTX zu übernehmen. Die Gründer beider Unternehmen gaben eine entsprechende Verlautbarung zeitgleich auf Twitter ab. Durch die Bestätigung der finanziellen Notlage bei FTX fiel der Kurs von FTT in die Tiefe. Weitere Details der Übernahme wurden zunächst nicht bekannt gegeben. Doch die Übernahme von FTX durch Binance platzte vor wenigen Stunden.
Durch aktives Handeln konnte BIT Capital seine Anleger vor weitreichenden Verlusten bewahren. Die FTT-Position im BIT Global Crypto Leaders-Fonds wurde rechtzeitig zu rund 22 USD aufgelöst, womit der Verlust für Investoren im Fonds weniger als 0,03% betrug.
Doch warum kam es bei FTX zu einem Liquiditätsengpass? Ein möglicher Auslöser für den Zusammenbruch des Firmengefüges von Bankman-Fried ist auf die Abverkaufsphase im im Mai und Juni 2022 zurückzuführen. Damals erlitt Alameda Research eine Reihe von Verlusten unter anderem durch Voyager Digital. Um Alameda zu stützen, übertrug Bankman-Fried zu diesem Zeitpunkt FTX-Mittel im Wert von mindestens 4 Milliarden USD an das Unternehmen. Diese waren durch Vermögenswerte wie FTT und Anteile an der Handelsplattform Robinhood gesichert. Bei einem Teil dieser Mittel könnte es sich auch um Kundeneinlagen gehandelt haben. Es ist davon auszugehen, dass Alameda auch von weiteren Parteien durch FTT-besicherte Darlehen erhielt.
Aufgrund des Preisverfalls von FTT sahen sich Alameda und FTX mit Forderungen für die Darlehen konfrontiert, verfügten aber nicht über die notwendigen Mittel, um diese abzusichern. Das führte zu verlustreichen Zwangsliquidierungen anderer liquider Positionen in einer Phase, in der der Markt bereits in Alarmbereitschaft war. Die Transparenz der Liquidierung von On-Chain-Positionen erhöhte die Nettoabflüsse bei FTX und damit verschlechterte sich auch die Liquiditätslage. Kunden zogen innerhalb von nur 72 Stunden enorme Vermögenswerte von bis zu 6 Milliarden USD von FTX ab. Aufgrund der mangelnden Liquidität von Alameda konnten diese nicht bedient werden.
Die weitergehenden Folgen für das Ökosystem sind aktuell nicht vollends abzuschätzen, da laut aktuellen Informationen bis zu 8 Milliarden USD fehlen, um die von Kunden angeforderten Abflüsse zu bedienen. Auch Margin Calls an weitere Parteien sind aufgrund der fallenden Kurse denkbar. Die Informationslage ist hochdynamisch und es ist nicht ausgeschlossen, dass in den nächsten Tagen weitere Überraschungen aufgedeckt werden. Anleger müssen sich auf Volatilität an den Cryptomärkten einstellen, bis das ganze Ausmaß des Zusammenbruchs offengelegt wird.
Dieser Textbeitrag ist am 10. November 2022 um 11.00 erstellt worden.